RAe Andrae & Simmer GbR
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Rechtsanwälte Andrae & Simmer


Das LG Hannover hatte darüber zu befinden (Urteil vom 13.05.2009, Az. 6 O 102/08), ob die negative Verkäuferbewertung im Bewertungsform von eBay mit dem Text: „Handy als „Neu“angeboten-Handy +Zubehör gebraucht-das nenne ich Betrug!!!!“ zurecht abgegeben werden durfte oder eine Anspruchsgrundlage zur Beseitigung bestehe.

Die Beklagte hatte von der Klägerin über eBay ein Mobiltelefon als Neugerät erworben, das nach ihren Angaben anhand der äußeren Spuren gebraucht aussah. Das Landgericht lehnte die Löschung der o.g. Bewertung dennoch ab. Dies mit der Begründung, es handele sich bei der Bewertung in dieser Form um eine zulässige Meinungsäußerung und damit nicht um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Eine Rechtsgrundlage für die Löschung bestehe daher nicht.

Dabei hielt es einen Nachweis der Wahrheit der enthaltenen Behauptungen für unerheblich, da es sich insgesamt um eine Meinungsäußerung handele, welche nach dem Grundgesetz geschützt sei.

Der Leser des Urteils stellt sich hier die Frage: „Wann kann ich denn dann überhaupt noch die Löschung einer Bewertung verlangen, wenn nicht bei der Behauptung, dass Betrug im Spiel war?“


Gründe, wann eine Negativbewertung entfernt verlangt werden kann

  1. Verstoß gegen die eBay-AGB, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 der AGB inkl. Grundsätzen über Bewertungsentfernung. (So etwa u.a. AG Erlangen, Urt. v. 26.05.2004 -1 C 457/04; AG Sömmerda, Urt. v. 13.03.2007 -1 C 644/06; AG Hamburg-Wandsbek, Urteil v. 22.12.2005 - 712 C 465/05 sowie bei Dörre/Kochmann, ZUM 2007,30ff.): Hier greifen dann die Bewertungsgrundsätze von eBay ein, sodass jedenfalls unwahre, unsachliche oder Schmähkritik enthaltende Kommentare sowie solche, die dem „Bewertungssystem zuwiderlaufen“, zu entfernen sind. Die AGB gelten als Nebenpflichten für die Beteiligten am eigentlichen Kaufvertrag.
  2. Eingriff in des allgemeinen Persönlichkeitsrecht, §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB. (So etwa AG Dessau, Urt. V. 21.02.2008 - 4 C 610/07; grds. auch AG Nordhorn, Urt. V. 28.01.2009 – 3 C 1308/08).: Hierauf kann man sich vor allem bei Beleidigungen u.ä. stützen. 
  3. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB): Es muss ein betriebsbezogener Eingriff vorliegen, also die Bewertung das Gewerbe bewusst zu beeinträchtigen gedacht gewesen sein   (So etwa AG Nordhorn, Urt. V. 28.01.2009 – 3 C 1308/08.) 
  4. Kreditgefährdung (§ 824 BGB): Liegt vor, wenn unwahre Tatsachen behauptet werden, um die Kreditwürdigkeit des anderen zu vermindern.
      

 

Kommentar zum Urteil des Landgerichts

Es stellte sich dem Gericht hier eine Frage, die seit Einführung des Grundgesetzes immer wieder zu prüfen war. Wie weit geht die Meinungsfreiheit?

Die Rechtsprechung hat in Bezug auf die grundgesetzlich geschützte Freiheit zur Meinungsäußerung herausgearbeitet, dass allein die „schlichte Meinungsäußerung“ immer geschützt ist. Darunter versteht man das Kundtun reiner Werturteile (liegen vor, wenn deren „Richtigkeit“ einem Beweis nicht zugänglich ist). Nicht als Meinungsäußerung wird die Behauptung wahrer oder unwahrer Tatsachen (liegen vor, wenn deren Richtigkeit bewiesen werden kann) gesehen. Geschützt sein als Meinungsäußerung können jedoch Aussagen, bei denen Tatsachenbehauptungen und Meinung zusammen kommen.

Das LG folgte dieser ständigen Rechtsprechung und führte dazu aus:
 

„[…] sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt.“

Das LG kommt zu dem Schluss, dass die evtl. zu beanstandenden Bewertungsteile Meinungsäußerungen und als solche zulässig seien. Mit der „Darstellung des Gegenstandes als „gebraucht“ habe die Klägerin „nicht die Vorstellung von konkreten, dem Beweis zugänglichen Vorgängen hervorgerufen“ und damit eine Meinung und keine Tatsache geäußert. Es sei ja kein konkreter Zustand des Telefons behauptet worden, sondern nur das dieses „gebraucht“ sei. Über den Begriff „gebraucht“ könne man indessen geteilter Meinung sein (wann ist dies schon bzw. noch der Fall), sodass es sich nicht um eine Meinungsfrage, ein Werturteil handele.

Das Gericht hat vorliegend angenommen, dass hier nicht die tatsächliche Frage im Vordergrund stand, ob die Ware gebraucht war oder nicht. Der Schwerpunkt der Bewertung war die Meinungsäußerung, dass es aus Sicht der bewertenden Person einen Betrug darstellt, wenn gebrauchte Sachen als „Neu“ verkauft werden. Die Behauptung, dass dies auch vorliegend so war, diente hier nur als „Träger“ für die allgemeine Meinung, dass so etwas „Betrug zu nennen ist“.


 

Fazit

Das Landgericht Hannover hat hier ein durchaus vertretbare Entscheidung getroffen, die aber anhand der dargestellten Grundsätze auch hätte anders ausfallen können. Denn ob nun die Tatsachenbehauptung oder die Meinungsäußerung im Vordergrund steht, ist eine Wertungsfrage.

Das Gericht ging hier von einer von Art. 5 GG geschützten Meinungsäußerung aus. Damit scheiden sämtliche oben genannten Anspruchsgrundlagen für die Löschung aus. Eine in diesem Sinne zulässige Meinungsäußerung kann grundsätzlich nie einen Löschungsanspruch auslösen.

Für den Bewertenden gilt auch nach diesem Urteil weiterhin der Rat, vorsichtig in seiner Wortwahl zu sein. Von Verkäuferseite argumentiert wird man den Bewertenden aber ans Herz legen müssen, das „scharfe Schwert“ der negativen Bewertung nicht voreilig einzusetzen, da es geeignet ist, hohen wirtschaftlichen Schaden beim Verkäufer auszulösen. Einerseits schrecken zahlreiche negative Bewertung potenzielle Käufer ab. Andererseits können zu viele Negativbewertungen auch seitens eBay Sanktionen für den Verkäufer nach sich ziehen. Als Beispiel sei hier nur die Beschränkung des Verkaufsvolumens genannt.

 

 

 

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