RAe Andrae & Simmer GbR
Nell-Breuning-Allee 6
66115 Saarbrücken
Tel. 0681/38943-0
Fax 0681/373916
Rechtsanwälte Andrae & Simmer
Der Beklagte hatte einen gebrauchten VW Passat bei eBay zum Verkauf über eine Auktion eingestellt, die zehn Tage laufen sollte, Startpreis 1 EUR. Nach wenigen Minuten gab der Kläger ein Gebot über 1 EUR ab (Maximalgebot 555,55 EUR). Nach rund sieben Stunden brach der Beklagte die Auktion ab. Der Kläger war noch immer Höchstbietender. Als Grund für den Abbruch gab der Beklagte auf Nachfrage an, er habe einen Käufer außerhalb der Auktion gefunden. Der Kläger verlangte vom Beklagten Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinen Gebot und dem von ihm behaupteten tatsächlichen Wert des Fahrzeuges von 5.250 EUR in Höhe von 5.249 EUR.

Die Klage hatte vor dem Landgericht dem Grunde nach Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, das landgerichtliche Urteil also aufrechterhalten. Allerdings wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, die der Beklagte auch einlegte und weiterhin Klageabweisung forderte. Ohne Erfolg. Wir wollen auszugsweise aus dem Wortlaut des Urteils zitieren:

"[… ..]Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande gekommen ist. Insbesondere hat es rechtsfehlerfrei und insoweit von der Revision nicht angegriffen festgestellt, dass der Beklagte die Internetauktion ohne berechtigten Grund vorzeitig abgebrochen hat und nicht zur Anfechtung seines Angebots wegen Irrtums nach §§ 119 ff. BGB berechtigt war. Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der Schadensersatzanspruch nicht daran, dass der mit dem Beklagten geschlossene Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB). Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem (angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es bedarf vielmehr zusätzlicher - zu einem etwaigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinzutretender - Umstände, aus denen bei einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters geschlossen werden kann (Senatsurteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723 Rn. 20 f.). Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zu Unrecht meint die Revision, die Begrenzung des Gebots auf 555,55 € mache deutlich, dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, einen auch nur annähernd dem Marktpreis entsprechenden Preis zu bieten. Wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, erschließt sich nicht, weshalb ein (Höchst-) Gebot unterhalb des Markpreises sittlich zu missbilligen sein soll. Gibt der Bieter ein Maximalgebot ab, ist er nicht gehalten, dieses am mutmaßlichen Marktwert auszurichten. [...] Der Beklagte kann dem Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenhalten. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles und muss auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben […...] Die von der Revision angeführte Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (Hinweisbeschluss vom 3. Juni 2009 - 5 U 429/09, MMR 2009, 630; ebenso bereits die Vorinstanz: LG Koblenz, NJW 2010, 159, 160 f.; siehe auch AG Dieburg, Urteil vom 4. Juli 2011 - 20 C 65/11, juris Rn. 28 ff.), der Käufer sei nicht schutzwürdig, weil er von dem nicht zu erwartenden vorzeitigen Abbruch der Auktion profitieren wolle und nicht damit rechnen könne, den Kaufgegenstand bei Fortgang der Auktion tatsächlich zu dem geringen Gebot zu erwerben, ist im Schrifttum zu Recht auf Ablehnung gestoßen (Oechsler, Jura 2012, 497, 500; Härting, Internetrecht, 5. Aufl., Rn. 546; Wenn, jurisPR-ITR 16/2009 Anm. 4; Höhne, jurisPR-ITR 9/2009 Anm. 5; siehe auch BeckOK BGB/Sutschet, Stand: 1. August 2014, § 242 Rn. 93). Auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte hat in ähnlichen Fallgestaltungen keine unzulässige Rechtsausübung durch den Käufer angenommen (LG Detmold, Urteil vom 22. Februar 2012 - 10 S 163/11, juris Rn. 11 ff.; LG Berlin, Urteil vom 21. Mai 2012 - 52 S 140/11, juris Rn. 30 f.; AG Bremen, Urteil vom 5. Dezember 2012 - 23 C 0317/12, juris Rn. 14 ff.; AG Gummersbach, NJW-RR 2011, 133, 134). Denn es ist der Verkäufer, der das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises unterhalb des Marktwerts ohne Einrichtung eines Mindestpreises eingegangen ist (zutreffend OLG Köln, MMR 2007, 446, 448 f., zum Fall einer regulär beendeten Internetauktion). Zudem hat der Beklagte in der hier gegebenen Fallgestaltung durch seinen freien Entschluss zum nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt, dass sich das Risiko verwirklicht."

von RA Florian Decker, Juli 2015
×

Nachricht

Auf dieser Website sind Cookies aktuell deaktiviert

Diese Website kann Cookies zur Authentifizierung, Navigation und für andere Funktionen nutzen und somit das interaktive Erlebnis verbessern.
Um den vollen Funktionsumfang nutzen zu können, stimmen Sie bitte nachfolgend der Nutzung von Cookies zu.

zu unserer Datenschutzerklärung

Sie haben den Einsatz von Cookies ausdrücklich abgelehnt.
Diese Entscheidung können Sie nachfolgend widerrufen und dem Einsatz von Cookies zustimmen.