In seiner Entscheidung vom 29.9.2014 hatte das Amtsgericht Kamen (Urteil vom 29.09.2014, Az. 30 C 2/13) sich mit der seit Jahren umstrittenen Frage auseinander zu setzen, wann ein Widerrufsrecht im Fernabsatzhandel nicht besteht, weil die Ware nach Kundenspezifikation angefertigt wurde.
Bisher wurde zu dieser Frage stets auf die Entscheidung BGH, 19.03.2003 - VIII ZR 295/01, abgestellt, in der der Bundesgerichtshofdazu äußerte was folgt:
c) Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist deshalb nur dann wegen Anfertigung der Ware "nach Kundenspezifikation" ausgeschlossen, wenn der Unternehmer durch die Rücknahme auf Bestellung angefertigter Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, die spezifisch damit zusammenhängen und dadurch entstehen, daß die Ware erst auf Bestellung des Kunden nach dessen besonderen Wünschen angefertigt wurde. Nicht ausreichend dafür sind dagegen die Nachteile, die mit der Rücknahme bereits produzierter Ware stets verbunden sind. Diese hat der Unternehmer nach dem Gesetz hinzunehmen. Nur wenn der Unternehmer darüber hinausgehende besondere Nachteile erleidet, die gerade durch die Anfertigung nach Kundenspezifikation bedingt sind, kann dem Unternehmer ein Widerrufsrecht des Verbrauchers und die damit verbundene Pflicht zur Rücknahme der Ware -ausnahmsweise -nicht zugemutet werden.
aa) Dies setzt zunächst voraus, daß die vom Kunden veranlaßte Anfertigung der Ware nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann. Läßt sich dagegen die Ware ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile mit verhältnismäßig geringem Aufwand wieder in den Zustand vor der Anfertigung versetzen, liegt schon aus diesem Grund eine das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließende Anfertigung nach Kundenspezifikation nicht vor. In diesem Fall ist dem Unternehmer die Rücknahme der Ware zumutbar, weil er deren Anfertigung mit wirtschaftlich tragbarem Aufwand rückgängig machen kann und dadurch die Bestandteile wiedererlangt, die er vor der Anfertigung besaß. In einem solchen Fall erleidet der Unternehmer durch die Rücknahme auf Bestellung angefertigter Ware keinen unzumutbaren Nachteil im Vergleich zu einem Fernabsatzvertrag über die Lieferung der Bestandteile selbst, bei dem ein Ausschluß des Widerrufsrechts wegen Anfertigung der Ware nach Kundenspezifikation von vornherein nicht in Betracht käme.
bb) Darüber hinaus müssen die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisieren, daß diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme deshalb (wirtschaftlich) wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlaßten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzen kann (so auch MünchKomm-BGB/Wendehorst, 4. Aufl., § 3 FernAbsG Rdnr. 22; Härting, FernAbsG § 3 Rdnr. 68; Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., FernAbsG § 3 Rdnr. 8).
d) Nach diesen Voraussetzungen ist das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Recht davon ausgegangen, daß das an den Kläger gelieferte Notebook nicht nach Kundenspezifikation angefertigt worden war.
Der Verbraucher hatte hier ein Notebookaus einem Baukasten des Verkäufers und Unternehmers zusammengestellt und sich liefern lassen und danach den Widerruf erklärt.
In Zukunft mag die Praxis evtl. nun auch die Entscheidung des Amtsgerichts Kamen zitieren. Dort hatte sich das Gericht mit dem Kauf eines Bürostuhls zu befassen, den die klagende Verbraucherin im Onlineshop der Verkäuferin aus einer Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten selbst zusammengestellt und konfiguriert hatte und der nach diesen Vorgaben für sichergestellt und an Sie ausgeliefert wurde. Die Beklagte Verkäuferin verweigerte die Rücknahme nach dem danach erklärten Widerruf unter Bezugnahme darauf, dass ein Herstellung nach Kundenspezifikation vorliege, zumal es insbesondere nicht möglich war, den hoch individualisierten Bürostuhl ohne weiteres dieser Form weiterzuverkaufen und es ferner nicht ohne weiteres möglich war, den Bürostuhl ohne sehr erheblichen Aufwand bzw. überhaupt zerstörungsfrei wieder auseinander zu nehmen.
Das Gericht folgte hier im Ergebnis der Ansicht der den Rest des Kaufpreises einklagenden Verkäuferin (hier Klägerin genannt) und verneinte das Widerrufsrecht nach dem damals noch geltenden § 312b Abs.4 Nr.1 BGB a.F. mit der Begründung:
Das Urteil in Gänze können Sie als Faksimile hier abrufen.
Zwischenzeitlich gilt seit dem 13.6.2014 wiederum ein neuer Rechtsstand im Bereich des Widerrufsrechts bei Fernabsatzgeschäften. Vorstehende Rechtsprechung wird gleichwohl auch in Zukunft noch Auswirkungen haben, da auch nach dem neuen Recht Ausnahmen vom Widerrufsrecht bestehen, die im Gesetz nunmehr in § 312g BGB niedergelegt sind. Dort heißt es heute zum vorstehenden Thema:
§ 312g Widerrufsrecht
(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.
(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
1. Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
[…]
Die Terminologie hat sich also ein wenig geändert, der Kern der Regelung ist nach hiesiger Auffassung indes der gleiche geblieben. Bei Waren die nach Kundenspezifikation angefertigt wurden, soll ein Widerrufsrecht auch nach dieser Formulierung offensichtlich noch immer nicht bestehen. Die neue Formulierung nimmt auf eine „individuelle Auswahl“ und die „persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers“ Bezug und stellt daher weiterhin auf die Kriterien ab, die mit dem Schlagwort der Kundenspezifikation bereits umfasst waren. Die alte rechtlichen wird daher Fortgeltung erfahren können, vgl. Grüneberg in Palandt, 30. Auflage, CH Beck 2014, § 312g nF, Rn. 4.
RA Florian Decker, November 2014